Landessozialgericht Schleswig, Urteil vom 16.01.2008, Az.: L 5 KR 57/06
Das Landessozialgericht Schleswig hat entschieden, dass Krankenkassen ihren Versicherten den Wechsel des Zahnarztes bewilligen müssen, wenn der Zahnersatz unbrauchbar ist oder die Nachbesserung der Versicherten nicht zumutbar ist
In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall hatte eine Patientin zwei Brücken im Frontzahnbereich anfertigen lassen. Diese saßen jedoch nicht richtig, drückten und verursachten Kopfschmerzen, die Aussprache war gestört, Ober- und Unterkiefer schlossen nicht mehr, die Zähne standen schräg und die vereinbarte Keramikverblendung fehlte. Außerdem waren dem Zahnarzt während des Beschleifens der Zähne, die die Brücke tragen sollen, mehrere Geräte ausgefallen und er schickte die Patientin für zwei Tage mit fünf teilweise geschliffenen Zähnen nach Hause, bis die Maschinen wieder funktionierten. Die Patientin weigerte sich, die Brücken endgültig eingliedern zu lassen, und bat ihre Krankenkasse einem Wechsel des Zahnarztes zuzustimmen. Die Kasse lehnte jedoch den Behandlerwechsel ab, da der Zahnarzt zur Neuanfertigung bereit und außerdem im Rahmen der zweijährigen Gewährleistung zur kostenlosen Nachbesserung verpflichtet sei. Das erstinstanzliche Gericht gabt ihr Recht. Es meinte, die freie Arztwahl und der Charakter der ärztlichen Behandlung als „Dienstleistung höherer Art“, die jederzeit mit sofortiger Wirkung gekündigt werden kann, sei vorrangig vor der Verpflichtung des Zahnarztes zur Nachbesserung innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist. Auch das Wirtschaftlichkeitsgebot müsse hinter dem Anspruch der Patientin auf einen einwandfreien Zahnersatz zurückstehen. Die Kasse ging in Berufung. Auch das Landessozialgericht verurteilte die Kasse, den Behandlerwechsel zu bewilligen.
Eine wegweisende Entscheidung, da Krankenkassen immer wieder versuchen, Patienten den Wechsel des Zahnarztes zu verweigern, und mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot, der Verpflichtung zur Mängelbeseitigung bis hin zur Neuanfertigung im Rahmen der Gewährleistungsfrist usw. argumentieren – und es seitens der Kassen häufig bezweifelt wird, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt gestört ist, auch wenn der Zahnersatz unbrauchbar ist oder bereits mehrmals erfolglos nachgebessert wurde.
Das LSG hat klargestellt: Die Weiterbehandlung ist unzumutbar, wenn (1) der Zahnersatz unbrauchbar ist und (2) entweder (2a) eine Neuanfertigung notwendig oder (2b) die Nachbesserung für den Patienten unzumutbar ist. Im Fall 2a ist die Unzumutbarkeit automatisch gegeben, im Fall 2b muss sie dargelegt werden.
Aber:
Ein anderes Gericht eine andere Entscheidung:
Bei der Anpassung von Zahnersatz sind Patienten Nachbesserungsmaßnahmen zuzumuten. Wer diese verweigert, kann den Arzt nicht wegen einer schlecht sitzenden Prothese auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmen, so das OLG Dresden in einem Beschluss, Az.: 4 W 0028/08.
Ein Patient sich bei einem Zahnarzt eine Prothese anfertigen lassen. Der Patient, dem das Tragen der Prothese Schmerzen verursachte und der mit ihr auch nicht richtig kauen konnte, brach die Behandlung daraufhin ab, wechselte zu einem anderen Arzt und wollte den ersten auf Schadensersatz und rund 8000 Euro Schmerzensgeld verklagen. Das LG Leipzig entschied, dass eine solche Klage keine Aussicht auf Erfolg habe und wies seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe deshalb ab. Das OLG Dresden bestätigte diese Entscheidung (Az.: 4 W 0028/08). Dem Patienten sei eine Nachbesserung zuzumuten gewesen, die er durch sein Fernbleiben vereitelt habe. Daher müsse der Zahnarzt für die fehlerhafte Einpassung nicht haften, so die Richter. Patienten seien grundsätzlich dazu berechtigt, einen Behandlungsvertrag zu kündigen. Wenn sie sich hierdurch aber einer zumutbaren Nachbesserung entzögen, so könnten sie den behandelnden Arzt nicht ohne weiteres auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmen.
Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich bei der ersten Anpassung von Zahnersatz noch Mängel im Sitz zeigten. Nachbesserungen seien üblich und vom Patienten hinzunehmen, da Zahnersatz häufig auch bei äußerster Präzision des Zahnarztes nicht "auf Anhieb" beschwerdefrei sitze. Hier wäre der Patient umso mehr deshalb dazu verpflichtet gewesen, bei einer Korrekturbehandlung mitzuwirken, weil diese keinen wesentlichen Eingriff am Körper, sondern nur die Neubearbeitung der Prothese betroffen hätte.